Als Tochter des WAZ-Mitbegründers Jakob Funke prägte Petra Grotkamp das Familienunternehmen und die Zeitung. Ein Blick in die Familiengeschichte.

Es waren überwiegend Männer, die das Bild der WAZ und später von FUNKE in der Öffentlichkeit über viele Jahre bestimmten: Verlegerpersönlichkeiten wie die Gründer Jakob Funke und Erich Brost, bedeutende Verlagsmanager wie Günther Grotkamp oder Erich Schumann, Chefredakteure, die wie Siegfried Maruhn eine ganze Ära prägten, oder auch beliebte Kolumnisten und Kommentatoren. Weitgehend unbemerkt hat aber eine Frau die Ausrichtung, Strukturen und den Charakter der Mediengruppe stärker und nachhaltiger geprägt als so viele Männer, die im Licht der Öffentlichkeit standen. Ohne Petra Grotkamp, die den großen Auftritt weder mag noch braucht, wäre FUNKE heute nicht eine der wichtigsten und bedeutendsten Mediengruppen in Deutschland.

Petra Grotkamp: Ihre Karriere begann auf den unbequemen „Steno-Hockern“

„Eigentlich wollte ich gar nicht zur WAZ gehen“, erzählt die 1943 in Essen geborene jüngste von vier Töchtern des WAZ-Gründers Jakob Funke, doch „ich wollte gerne zu Hause bleiben. Also habe ich im Büro meines Vaters angefangen. Das war 1964.“ Lebendig und mit großem Humor kann Petra Grotkamp von den Jahren an der Seite ihres Vaters erzählen. Von der strikten Hierarchie im Verlag etwa, von rauschenden Festen und auch von der heute bizarr anmutenden Rolle als Frau und Verlegertochter, für die keine andere Funktion vorgesehen war als die der Sekretärin – versinnbildlicht durch die unbequemen „Steno-Hocker“, die heute noch im sogenannten Gründerzimmer im Essener Medienhaus bestaunt werden können.

Auch wenn sie 1967 mit der ersten Heirat und Gründung einer Familie die operative Arbeit im Verlag aufgegeben hat – WAZ und FUNKE wurden zu ihrem Lebensthema. Als sie nach dem Tod ihres Vaters 1975 gemeinsam mit ihren Schwestern die Hälfte des Unternehmens erbte, war vor allem sie es, die aus Verantwortung für den Journalismus und die Mitarbeitenden die Interessen des wachsenden Unternehmens nie aus dem Blick verlor. So hat sie sich etwa gegen große Widerstände immer wieder dafür eingesetzt, dass die Gewinne in neue Geschäfte – in Journalismus! – investiert und nicht vollständig an die Gesellschafter ausgeschüttet werden.

Grotkamp: „Ich hatte ein paar schlaflose Nächte und dann habe ich es gewagt“

Als sie 1986 in zweiter Ehe den langjährigen engen Vertrauten ihres Vaters und legendären Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, Günther Grotkamp, heiratete, war sie ihrem Mann nicht nur engste Ratgeberin. Viele strategische Meisterleistungen des legendären Architekten des „WAZ-Modells“, wären ohne Petra Grotkamp nicht denkbar gewesen. Ganz allein hat sie allerdings 2012 die Entscheidung getroffen, die Anteile der Familie Brost zu kaufen. Die Nachkommen des WAZ-Mitgründers hielten 50 Prozent und die ständigen Streitigkeiten zwischen den Funke- und den Brost-Gesellschaftern drohten das Geschäft lahmzulegen – und das in Zeiten, in denen die Digitalisierung Innovationen und Investitionen dringend erforderte.

Erstmals in der Geschichte der FUNKE-Mediengruppe gehört das Unternehmen einer Familie: Die Gesellschafterinnen Julia Becker, Nora Marx, Petra Grotkamp und Gesellschafter Niklas Wilcke (v.l.)
Erstmals in der Geschichte der FUNKE-Mediengruppe gehört das Unternehmen einer Familie: Die Gesellschafterinnen Julia Becker, Nora Marx, Petra Grotkamp und Gesellschafter Niklas Wilcke (v.l.) © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

„Ich hatte ein paar schlaflose Nächte“, erzählt Petra Grotkamp, „und dann habe ich es gewagt. Ich wollte das Familienunternehmen retten.“ Indem die Verlegerin nun 66,6 Prozent der Anteile in ihrer Hand hielt, wurde das Unternehmen wieder handlungsfähig, mit ihr als Vorsitzende des neu etablierten Aufsichtsrats konnten Entscheidungen jetzt schnell getroffen und konsequent umgesetzt werden. Nur auf dieser Grundlage konnte ein Jahr später die wegweisende und überaus erfolgreiche Übernahme vieler Printtitel des Axel Springer-Verlags (u.a. Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Hörzu, Bild der Frau) realisiert werden.

FUNKE liegt nun erstmals in der Hand einer Familie

Vor sechs Jahren übertrug Petra Grotkamp ihre Anteile zu gleichen Teilen an ihre drei Kinder Julia Becker, Nora Marx und Niklas Wilcke. 2018 gab sie den Vorsitz des Aufsichtsrats an Julia Becker ab. Sie selbst hält allerdings noch immer ein Prozent und sitzt weiterhin im FUNKE-Aufsichtsrat. Ganz ohne WAZ und FUNKE geht’s eben nicht. Und umgekehrt: Ganz ohne Petra Grotkamp geht’s auch nicht bei der WAZ und bei FUNKE.

Das wurde einmal mehr deutlich als ihre Kinder sich 2021 entschieden, die restlichen Anteile des Unternehmens von den Minderheitsgesellschaftern Schubries und Holthoff-Pförtner zu übernehmen. Petra Grotkamp unterstützte diesen Schritt nicht nur, sie dachte und plante leidenschaftlich und ideenreich mit. Das erste Mal in der 75-jährigen FUNKE-Geschichte befindet sich das Unternehmen nun in der Hand einer Familie. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der FUNKE Mediengruppe könnten damit nicht besser sein. Die klare Ausrichtung als ein Unternehmen, in dessen Zentrum trotz enormer Herausforderungen weiterhin der Journalismus steht, ist Petra Grotkamps Werk. Und an der Spitze steht Julia Becker. Starke Frauen werden also auch weiterhin das Geschick der FUNKE Mediengruppe prägen.

>> 75 Jahre WAZ – alle Artikel

Dieser Beitrag erscheint anlässlich des 75. Geburtstages der WAZ. Alle Artikel zum Jubiläum finden Sie unter waz.de/75jahrewaz. Unsere große Jubiläumsausgabe können Sie auch online durchblättern als digitales „Flipbook“: waz.de/jubilaeum.