Duisburg/Essen. Elektroautos sind die einzige Alternative, sagt Car-Direktorin Wisbert in unserem Podcast. Doch sie sieht viele Probleme bei der Antriebswende.

Die Verkehrswende elektrisiert Deutschland und Europa, ab 2035 sollen nur noch klimaneutrale Autos zugelassen werden, bis 2045 alle anderen ganz von unseren Straßen verschwinden. Geht das überhaupt? Es muss, sagt Helena Wisbert, Direktorin des Duisburger Car-Instituts, in unserem Podcast „Die Wirtschaftreporter“. Sie sieht enorme Herausforderungen und etliche Stolpersteine auf dem Weg dahin, aber keine massentaugliche Alternative zum Elektroauto. Auch nicht in den von der FDP durchgeboxten E-Fuels. Sie hält eine Verbrenner-Nostalgie angesichts des Klimawandels für den „falschen Ansatz“.

Helena Wisbert lehrt in Wolfsburg Automobilwirtschaft und ist seit vergangenem Jahr Direktorin im von Ferdinand Dudenhöffer gegründeten renommierten Car-Institut. Sie pendelt zwischen der VW-Stadt und dem Ruhrgebiet hin und her – allerdings mit dem Zug. Dennoch betont sie, sehr gerne Auto zu fahren, ihr Wagen bedeute für sie „Freiheit, Flexibilität und Zeitersparnis“. Letzteres vor allem wegen der mangelnden Alternativen, sprich dem öffentlichen Nahverkehr, der im Ruhrgebiet meist noch zäher läuft als die morgendlichen Kolonnen auf der A 40.

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Sie fährt noch einen Verbrenner, weil ihr als „Laternenparker“ die Möglichkeit fehlt, ein Elektroauto über Nacht zu laden. Damit ist sie nicht allein und eine der größten Hürden auf dem Weg zur E-Mobilität bereits umrissen. Zwar habe Deutschland mit 80.000 mehr öffentliche Ladepunkte als Zapfsäulen, aber sie seien ungleich verteilt und die Standzeiten zu lang.

Vor allem private Ladesäulen fehlen

Noch wichtiger: „Wir brauchen auch private Lademöglichkeiten, hier muss der Ausbau vorangetrieben werden. Und überall brauchen wir mehr Schnellladepunkte.“ Erst bei einer Leistung von 50 Kilowatt und mehr komme man mit Ladezeiten von 30 Minuten „einer praktikableren E-Mobilität näher“, sagt die Autoprofessorin. Das in wenigen Jahren flächendeckend hinzukriegen, sei „ein Brett“.

Die nach wie vor größte Hürde sind die hohen Preise für vollelektrische Autos . Das Car-Institut hat unlängst die Preisunterschiede bei den beliebtesten Modellen analysiert. „Zwischen dem Durchschnittspreis für ein elektrisches und ein Verbrennerauto klafft immer noch eine Lücke von 10.000 Euro und mehr – das ist zu viel“, sagt Helena Wisbert. Doch das werde sich in naher Zukunft ändern, die großen Hersteller wollten mit ihren E-Autos auch in die Preisregionen unter 25.000 und unter 20.000 Euro kommen. Das sei auch dringend nötig, damit sie erschwinglich und massentauglich werden. Eine andere Möglichkeit sei es, E-Autos zu abonnieren, dafür gebe es immer mehr Angebote.

Autoprofessorin: Deutsche Hersteller zu konservativ

Dafür müssten die deutschen Hersteller vor allem ihre Batteriekosten in den Griff bekommen und selbst in die Produktion einsteigen, sagt Wisbert. Tesla produziere vor allem deshalb so profitabel und könne die Listenpreise für seine Autos sogar erstmals senken, weil der US-Pionier fast alle Teile selbst baut. Auch der chinesische Hersteller BYD, der VW gerade im größten Automarkt der Welt vom Thron gestoßen hat, baue nur Elektroautos und habe damit einen Vorteil gegenüber den Wolfsburgern. „Die deutschen Autobauer rechnen sehr konservativ und sagen, bis 2030 vielleicht Kostenparität in der Produktion von E-Autos und Verbrennern hinbekommen. Das sind acht Jahre – der Markt ist schneller.“

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Die 39-jährige Autoprofessorin hält auch staatliche Kaufprämien weiter für nötig. „Die europaweit höchsten Verkaufszahlen hatten wir zuletzt in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, also in den Ländern mit Umweltprämien.“ Doch so oder so sei das von der Bundesregierung gesetzte Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 für „nicht realistisch“. Selbst im Boomjahr 2022 habe es weniger als eine halbe Million Neuzulassungen gegeben, hochgerechnet komme Deutschland so bis 2030 vielleicht auf fünf Millionen.

Dass Deutschland bzw. die FDP sich beim EU-weit längst verabredeten Neuzulassungsverbot für Verbrenner ab 2035 in letzter Minute quergestellt hat, sorgte auch bei Helena Wisbert „für Kritik und Verwunderung“, wie sie in unserem Podcast sagt. Die von der FDP durchgesetzte Alternative E-Fuels werde allenfalls „ein Nischenthema im Pkw-Bereich“ und wichtiger für Schiffe oder Flugzeuge sein.

Auch Wasserstoffautos „nicht massenmarktfähig“

Auch mit Wasserstoff betriebene Pkw seien „nicht massenmarktfähig, weil viel zu teuer“, ist die Automobilökonomin sicher, dies könne nur eine Lösung für den Lkw-Fernverkehr sein. Was die 39-Jährige ärgert: Die von der FDP reklamierte „Technologieoffenheit“ habe sie in den vergangenen Wochen eher als Bremse wahrgenommen, das habe bei ihr den Eindruck eines Vorwands dafür hinterlassen, „dass man sagt: Wir machen jetzt erstmal gar nichts“.

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Für die Verkehrswende brauche Deutschland aber „jetzt massenmarktfähige Antriebslösungen“. Anders als die Industrie stoße der Pkw-Verkehr immer noch Jahr für Jahr mehr CO2 aus. „Der Autoverkehr ist in Deutschland noch nicht einmal auf dem Pfad angekommen, seine Klimaziele zu erreichen.“