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Eine IHK – zwei Frauen und jede Menge Power

Jutta Kruft-Lohrengel, die Präsidentin, und Kerstin Groß, die Hauptgeschäftsführerin, führen bei der IHK zu Essen für die MEO-Region mit doppelter Frauen-Power die Geschicke in einer angestammten Männer-Domäne


 

Jutta Kruft-Lohrengel und Kerstin Groß managen nun Auge in Auge die Geschicke der IHK zu Essen

 

Frau Kruft-Lohrengel, was bedeutet es für Sie, als erste Frau an der Spitze der Vollversammlung der IHK zu Essen zu stehen? War das eine große Herausforderung, als Sie vor zehn Jahren in dieses Amt gewählt wurden?
Bei meinem Antritt vor zehn Jahren war ich es schon gewohnt, in meinem eigenen Unternehmen als Geschäftsführerin Entscheidungen zu treffen und als Führungskraft wahrgenommen zu werden. Als Repräsentantin an der Spitze der Interessenvertretung für rund 56.000 Unternehmen zu stehen, fühlte sich dann noch mal anders an. Aber bei der IHK kann ich sowohl ehrenamtliches Engagement, das für mein Leben einen hohen Stellenwert hat, als auch meine unternehmerischen Eigenschaften und Talente einbringen. Obwohl eine Präsidentin für alle ein Novum war, wurde ich offen empfangen. Ich habe die Entscheidung nie bereut. Im Gegenteil. Ich rufe ausdrücklich alle Frauen auf, sich solchen Aufgaben zu stellen! Am Anfang braucht es etwas Mut, aber je mehr Frauen Männerdomänen besetzen, desto leichter und selbstverständlicher wird es für nachfolgende Generationen. Nur durch Handeln lässt sich etwas bewegen.

 

Seit Oktober 2021 steht der Präsidentin als Hauptgeschäftsführerin Kerstin Groß zur Seite. Auch das eine Premiere. Frau Groß, Sie haben Raumplanung studiert, Flächenentwicklung und Logistik gemacht und sind systemischer Coach. Hatten Sie den Plan, es an die Spitze eines einflussreichen Unternehmens zu schaffen?
Als ich anfing zu studieren, wollte ich in die Entwicklungshilfe gehen. An so einem Job war zu dieser Zeit aber kein Herankommen. Das fand ich zwar schade, habe mich aber als pragmatischer Mensch nach den ersten Schrit-ten im Berufsleben laufend anpasst und verändert. Die Raumplanung gab mir dafür als interdisziplinäres Studium das nötige Rüstzeug. Im Revier waren Führungspositionen lange Zeit eher traditionell besetzt. Aber die Zeiten ändern sich. Es gibt zwischen Schwarz und Weiß viele Grautöne. In einer immer komplexeren Welt helfen neue, agile Methoden sowie mehr Kommunikation und lösungsorientiertes Arbeiten. Solche Themen sind durch weibliche Führungskräfte gut darstellbar. So, wie sich das Ruhrgebiet immer schneller vom Industrie- zum Dienstleistungsstandort wandelte, habe ich meinen Platz an der Spitze in einer modernen Form der Führung gefunden.

 

Eine Frau und viele Männer: Jutta Kruft-Lohrengel vor der Ahnentafel im 4. Stockwerk der IHK zu Essen

 

Ist eine Frau als IHK-Chefin mittlerweile Alltag?
Nein, auch 2023 noch nicht. Ich bemerke das zum Beispiel bei den Events der Deutschen Industrie und Handelskammer DIHK. Erst Anfang des Jahres war ich bei einem großen Festakt mit Kanzler Scholz und weiterer prominenter Besetzung in Berlin. Dort sieht man immer noch deutlich mehr Männer. Sie agieren viel selbstverständlicher beim Netzwerken. Es braucht noch etwas Zeit und Erfahrung, damit Frauen Rollen dort genauso selbstbewusst einnehmen. Aber es tut sich was. Immer mehr Frauennetzwerke formieren sich – sie unterstützen und fördern gerade junge Frauen. Ziel ist es, die 50 Prozent in der Bevölkerung, die wir stellen, auch an den Spitzen von Politik, Wissenschaft und Unternehmertum zu zeigen.

 

Wie verlief Ihr erstes Jahr bei der IHK? Hatten Sie klare Vorstellungen davon, wie Sie die IHK zu Essen umbauen wollten?
Selbst wenn ich es gewollt hätte: Das Alte konnte nicht bleiben. Die demografische Entwicklung macht auch nicht vor der IHK zu Essen halt. Nahezu zeitgleich wurden hier vier Führungspersönlichkeiten in den verdienten Ruhestand verabschiedet. Diese Situation bot die Gelegenheit, die Struktur insgesamt zu hinterfragen. In einem strukturierten Prozess haben wir Führung neu definiert, Geschäftsfelder zusammengeführt und dabei Raum für künftige Entwicklungen geschaffen. Heute ist die IHK zu Essen mit vier Geschäftsfeldern, jeweils durch ein gemischtes Doppel geführt, viel schlanker aufgestellt. Das Durchschnittsalter liegt knapp über 40 Jahre. Mir ist Transparenz sehr wichtig, ein offenes Haus zu ha-ben und gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen an den großen Zukunftsaufgaben zu arbeiten. Wir fühlen uns gut aufgestellt und sind offen für weitere Entwicklungen.

Die Industrie- und Handelskammer zu Essen ist eine von den Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft getragene Institution. Als Körperschaft öffentlichen Rechts vertritt sie auf Basis der gesetzlichen Mitgliedschaft das Gesamtinteresse von über 56.000 Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen in den Städten Mülheim an der Ruhr, Essen und Oberhausen (MEO-Region).


Wie kann man sich Ihre gemeinsame Arbeit vorstellen? Was macht die Präsidentin, was die Hauptgeschäftsführerin? Was ist das gemeinsame Ziel?
JKL: Im Fokus unserer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit …KG: … stehen die Unternehmen sowie die Region. Dabei konzentriere ich mich mit meinem Team auf die konkrete Unterstützung unserer angeschlossenen Unternehmen im Sinne eines Dienstleisters, zum Beispiel beim Azubimarketing. Wir führen die Aus- und Weiterbildungsprüfungen durch, beraten Politik und Unternehmen und bieten Workshops, Infoveranstaltungen und Netzwerktreffen an. Das Tagesgeschäft ist vielfältig und abwechslungsreich. Dabei behalten wir Trends und Zukunftsthemen im Blick.
JKL: Als ehrenamtliche Repräsentantin in ich unabhängig vom Tagesgeschäft. Daher engagiere ich mich zusätzlich schon seit vielen Jahren auch überregional bei IHK NRW oder im Landesparlament, wo ich dem Nachhaltigkeitsbeirat angehöre. Bei mir geht es vorrangig ums Netzwerken, Zuhören, Mitreden und Mitgestalten …
KG: … und dann setzen wir zusammen – vor dem Hintergrund der großen Themen – das um, was unsere Unternehmen und unsere Region voranbringt.

 

Jutta Kruft-Lohrengel ist geschäftsführende Gesellschafterin der Autohaus Kruft GmbH, Oberhausen. Sie gehörte bereits seit März 2008 dem IHK-Präsidium an und steht seit 2013 an die Spitze der Essener IHK. Sie engagiert sich ehrenamtlich u. a. seit 2003 als Handelsrichterin am Landgericht Duisburg, ist Gründungspräsidentin des Zonta-Clubs Oberhausen, Mitglied im Vorstand der ENO – Entwicklungsgesellschaft Neu-Oberhausen mbH, Vorsitzende des Freundevereins der LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen, Mitglied im Vorstand von IHK NRW und DIHK, Mitglied im Vorstand der OWT – Oberhausener Wirtschafts- und Tourismusförderung GmbH und seit letztem Jahr auch Mitglied des Nachhaltigkeitsbeirates.

 

Kerstin Groß ist seit Oktober 2021 Hauptgeschäftsführerin der IHK zu Essen. Vorher war sie vier Jahre lang stell-vertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK Mittleres Ruhrgebiet in Bochum. Sie war tätig für duisport, Duisburger Hafen AG, Wirtschaftsförderung Herne mbH und der last mile logistik netzwerk gmbh. Mitgliedschaften u. a.: Aufsichtsrat der Messe Essen GmbH, Aufsichtsrat der EWG Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, Aufsichtsrat der Tripp-le Z AG, ZukunftsZentrumZollverein, Mitglied im Beirat der Business Metropole Ruhr GmbH, Mitglied im Vorstand beim Kompetenznetz Logistik.NRW, erste stellv. Vorsitzende des Fördervereins Universität Duisburg-Essen e.V.

 

Artikel von www.top-magazin.de/ruhr